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SYNOPSIS

I

Lady Gertrude Groan, die Herrin von Gormenghast, gebiert Titus, den Thronfolger und Erben des Lords von Gormenghast. Am gleichen Tag flieht der Küchenjunge Steerpike vor den Demütigungen und Nachstellungen des Hofkochs Swelter aus der Küche, tief unten in den Kellergewölben des Schlosses.

Sein Fluchtweg führt in tollkühner Kletterei über die Schloßfassade bis hoch auf die weiten Dächer, Gormenghast liegt zu seinen Füßen. Steerpike erlebt das wie einen Rausch.

Aus seinem Erschöpfungsschlaf weckt ihn Fuchsia, die Tochter des Grafen. Mit großem Geschick gelingt es Steerpike Fuchsia zu bezaubern und zu verhindern, daß sie ihn verrät. Über Fuchsia lernt er Lady Cora und Lady Clarice kennen, die Zwillingsschwestern des Lords. Ihre kindischen Machtträume machen sie zu idealen Werkzeugen seines ungeheuren Ehrgeizes. Er wird ihr Diener und Berater.


II

Aus nächster Nähe belauert er nun das Leben der Lordschaft von Gormenghast: die geheimnisvolle Lady Gertrude, die nur ihre Tiere liebt und mit ihnen redet, den düsteren Lord, dessen ganze Liebe seinen Büchern gehört, sowie das Heranwachsen ihres Sohnes Titus, der stumm ist . Und mit der Zeit gewinnt er auch Fuchsia's Liebe.

So vergehen sieben Jahre. Eines Tages, bei einem Familienritual, steht die riesige Bibliothek in Flammen. Steerpike hat sie heimlich angezündet, erscheint aber als Retter. Steerpike, nun ein Held und in Gunst, wird Lehrling und Helfer des fanatischen und bösen Hüters der Rituale, Barquentine, eines verkrüppelten alten Zwerges.

Steerpike bringt die Zwillinge, die einzigen Mitwisser seiner Schandtat, zum Schweigen: er versiegelt ihnen die Lippen, spinnt sie ein in einen Kokon, in dem sie langsam verenden. Der Lord versinkt über den Verlust seiner Bücher in immer tiefere Schwermut. Vollends wahnsinnig, verwandelt er sich in eine Eule. Nur Titus hat Steerpike durchschaut, aber er ist ein Kind und stumm.


III

Steerpike hat sich auch Barquentines entledigt und ist nun selbst Hüter der Rituale. Damit beherrscht er das Schloß. Aber Fuchsia hat allen Glauben an ihn verloren. In ihrer Verzweifelung stürzt sie sich aus dem Fenster.

Titus flieht. Er ist der letzte, der dem größenwahnsinnigen Steerpike im Wege steht. In der alten Schloßküche, die, seit Steerpike herrscht, heruntergekommen und verwahrlost ist, gelingt es Titus zu überleben.

An diesem Ort, an dem Steerpikes unheilvolle Karriere ihren Anfang nahm, erfährt Titus eine geheimnisvolle Initiation :eine entscheidende Begegnung, die ihn verändert und befähigt, Steerpike zu bekämpfen.

Im Zimmer der Lady erleben wir Steerpike in obszöner Verzückung. Er metzelt die Tiere dahin und demütigt die Lady.

Titus macht dem Spuk ein Ende. Er tötet Steerpike und verläßt Gormenghast auf immer.


PROJEKTBESCHREIBUNG   von Irmin Schmidt

GORMENGHAST ist ein riesiges Schloß, uralt und labyrinthisch. Eine Welt für sich - und, wie alle Fantasy- und Comic-Welten die mit Mythen und der Geschichte spielen, ein Abbild der unseren. Die Handlung erzählt ein schauriges, wild- schönes Märchen vom Aufstieg und Fall des Küchenjungen Steerpike; eine Parabel von Macht und Verführung, von jener stets gegenwärtigen Wiederkehr der Tyrannis, die den jugendlich - rebellischen Traum von einer besseren Welt in Terror, Machtrausch und Zerstörung verwandelt . Und so wird hinter all den poetischen und comic-fantastischen Verkleidungen der Personen und Bilder Zeitgeschichte sichtbar : z.B. Steerpike als Inkarnation jenes Rationalismus, der mit selbstbesessener Dynamik die Zerstörung der überkommenen Kultur, des alten Wissens und der Natur betreibt.

Aber Fantasy ist eben auch ein Spiel mit Mythen und Steerpike auch ein mythischer Held, dem Trickster verwandt, der Unordnung anzettelt, um die Transformation einer erschöpften Ordnung herbeizuführen.

Das Szenario, das ich aus der epischen Fülle des Romans herausgelöst habe, verdichtet die Geschichte Steerpike's zu einer Folge von Bildern (basierend auf Peake'schen Tableaux), die einer strengen, gewissermaßen rituellen Form gehorchen. Drei Akte, zwischen denen jeweils sieben Jahre vergangen sind.

Die Orte der fünf Bilder des ersten Aktes wiederholen sich spiegelbildlich im dritten Akt, dort aber als Orte des Verfalls, der Verwüstung oder magischer Verwandlung. Der zweite Akt ist in sich spiegelbildlich symmetrisch:


I. II. III.
1. Zimmer der Gräfin
2. Küche
3. Fassade
4. Fuchsia's Zimmer
5. Baum der Zwillinge
1. Bibliothek
2. Fassade
3. Bibliothek (verbrannt)
1. Baum der Zwillinge
2. Fuchsia's Zimmer
3. Fassade
4. Küche
5. Zimmer der Gräfin


Die endgültige dramaturgische Ausarbeitung des Szenarios geschah in Zusammenarbeit mit Klaus Emmerich und Claus Henneberg.


Duncan Fallowell hat der formalen Strenge des Szenarios rhythmischen Fluß und pralles Leben verliehen, voller Poesie, grotesker Komik und düsterer Dramatik. Ein Libretto, um einen Komponisten glücklich zu machen : inspirierender Bilderreichtum, vielfältige formale, inhaltliche und symbolische Verknüpfungen und Beziehungen; vor allem aber ist es wirklich ein Text für Sänger, fast durchgehend gereimt, voller Sprachmelodie und rasantem Rhythmus.

Meine Musik ist vor allem rhythmusbetont, stets hält der Groove die verschiedensten Stilelemente zusammen. Das Klangbild ist ungewöhnlich. Das Orchester wurde aufgenommen und anschließend im Studio nachbearbeitet, teilweise auch verfremdet, um ein Klangkontinuum zu erreichen, in dem elektronische und natürliche Klänge sich vermischen, ineinander verwandeln. Gleichermaßen ist alles Percussive ein komplexer Mix aus im Studio aufgenommener Percussion, gespielt teils auf herkömmlichen (auch ethnischen) Instru-menten, teils auf Objekten wie Steinen, Baumstämmen, Porzellan, Eisenteilen usw. und synthetischen Klängen, Samples, Breakbeats usw. So ist eine reiche und sehr eigene Klangwelt entstanden. Ergänzt wird sie live lediglich durch ein Streichquartett (obligatorsich) und einen Percussionisten (ad libitum).

Es gibt nur Gesang, nie gesprochenen Dialog, selten Melismen, außer bei den Bizarrerien der Zwillinge und Prunesquallors.


Steerpike singt Rocksongs, der Graf als Eule ein romantisch-impressionistisches Kunstlied auf elektronischen Klangwolken, Fuchsia träumerische und traurige Balladen, Barquentine brüllt ein wüstes, rockendes Lied vom Chaos, die Zwillinge zwitschern wild durch die Musikgeschichte. Stile - eher Stiltrümmer - können unvermittelt nebeneinander stehen - sie dienen aber auch zur Charakterisierung der Personen. Leitmotivartige und formbildende Melodien, Motive, harmonische Verbindungen und einzelne Akkorde weben ein Netz von Beziehungen und Bedeutungen.

Die Bandproduktiojn geschah in Zusammenarbeit mit dem Toningenieur und Programmer Jono Podmore, der als Musiker, unter dem Namen KUMO zur Drum'n Bass - Avantgarde gehört. Er hat vor allem bei der Ausarbeitung der Rhythmik, der Grooves, meine Musik mit frischen und aktuellen Ideen verknüpft und bereichert.

Niemand bewegt sich "normal" in Gormenghast: alle Gesten und Bewegungen sind mehr oder weniger stilisiert, ritualisiert, d.h. Tanzformen. Steerpike tanzt im Rausch seiner Befreiung, vollführt tänzerische Kunststücke um Fuchsia zu beeindrucken, oder als Tod, um sich die Zwillinge zu unterwerfen, sein böser Hahnentanz steigert sich im Schlußduett mit Gertrud zu Raserei und Irrwitz. Fuchsia tanzt sich in ihre Träumereien vom bunteren Leben hinein, die Zwillinge tänzeln, stöckeln, hampeln wie wildgewordene Marionetten, Barquentine stampft einen frenetischen Ritualtanz auf dem Tisch, Swelter ficht einen wirbelnden Kampftanz gegen Flay. Die Zwillinge, Fuchsia, Prunesquallor und Steerpike tanzen eine fetzige Schlußnummer des ersten Aktes auf dem Baum über dem Abgrund. Und natürlich sind alle Rituale groteske Ensemble-Tanznummern.

Wie nun soll man Gormenghast benennen, einordnen ? In Gestus und Form ist es Große Oper. Aber Elemente und Charakteristika des Musicals, des Rockkonzerts, des Tanztheaters haben entscheidenen Anteil. Fantasy-Oper, Pop-Oper ? Um diese wundersame Form, die Oper, zu erhalten, müssen wir immer wieder neue Möglichkeiten erfinden, sie zu verwandeln. Das habe ich versucht. Deshalb nenne ich Gormenghast einfach eine Oper.


DIE   CHARAKTERE


LORD SEPULCHRAVE      lyrischer Bariton

Lord Groan von Gormenghast (76. in direkter Erbfolge). Ein melancholischer Intellektueller. Mechanisch und abwesend zelebriert er die komplizierten Rituale. Seine Familie und Umwelt nimmt er kaum wahr. Seine einzige Liebe gilt seinen Büchern. Allein in seiner riesigen Bibliothek, scheint er aus seiner Starre und Abwesenheit zu erwachen. - Nachdem seine Bücher verbrannt sind, versinkt er in immer tiefere Schwermut, wird schließlich vollends wahnsinnig. Sein Gesang ist weich und lyrisch, seine Melodien setzen sich zusammen aus immer den gleichen liturgischen Pattern. Je schwermütiger er wird, desto stereotyper, formelhafter wird sein Gesang. Auf dem Kaminsims als Eule jedoch singt er eine wunderbar melodische letzte Arie.


LADY GERTRUD      lyrisch-dramatischer Sopran oder Mezzosopran

Lord Sepulchraves Gattin. Eine riesige, geheimnisvolle Frau. Sie strahlt eine beunruhigende Mischung von Gefühllosigkeit und tierhafter Wärme aus. Träge, lethargisch, in sich ruhend. Im Gegensatz zu ihrer Teilnahmslosigkeit an Menschen, pflegt sie liebevoll-zärtlichen Umgang mit ihren Tieren: Vögel lassen sich nieder in der ungeheuren Masse und Pracht ihres dunkelroten Haares, die Woge ihrer weißen Katzen ergießt sich über ihr Bett: Mutter Erde, auf derem ungeheuren Leib es von unschuldigem Leben wimmelt und krabbelt.


TITUS      Tänzer / Pantomime

Geboren zu Beginn unserer Geschichte, am Ende etwa 15 Jahre. Er ist stumm - und es bleibt offen, ob dies angeborener Defekt oder Verweigerung ist. Aber schon als Kind sieht er alles was Steerpike anrichtet und zeigt drauf - und die Erwachsenen verstehen nichts. Nur Steerpike : der weiß.


FUCHSIA       Sopran

Titus' Schwester. Etwa gleichaltrig mit Steerpike. Empfindsam, mürrisch, unberechenbar, zärtlich, unbändig, verträumt, mißtrauisch und leichtgläubig in einem. Und sehr allein.


DIE ZWILLINGE       2 Koloratursoprane

Lady Cora und Lady Clarice, Schwestern des Lords; Blöde, gezierteste und preziöse Ungelenkheit, ihre dürren, schlaffen Körper stets auf groteske Weise ineinander verhakt. Und doch ist ein Hauch ehemaligen Glanzes um sie, vergangener, großer Kultur, nun verrottet und erstarrt. Ihre wirren Gedanken drücken sie aus in einem sehr kunstvollen Koloraturgesang, meist parallel, eine Mischung aus Peking-Oper und Königinnen der Nacht. Steerpike versiegelt ihnen die Lippen, dann können sie nur noch summen, auch eingesponnen im Kokon summen sie noch, langsam ersterbend.


BARQUENTINE       Tenor, Rocksänger / Schauspieler

Meister des Rituals und Wahrer der Gesetze der Groan. Ein verkrüppelter und agressiver Zwerg, verkommen und schmutzig. Die Rituale vollzieht er mit unnachgiebigem Fanatismus und bellender Stimme.


STEERPIKE       Tenor, Rocksänger

Der Küchenjunge, von dessen Aufstieg und Fall diese Geschichte handelt. Rattenhaft flink, zäh und mutig, hungriger Blick, schnelle Intelligenz, zynisch und gewissenlos, dabei nicht ohne Charme und frechen Witz. Seine Rolle ist auch eine Tanzrolle von akrobatischer Virtuosität, seine Effizienz und Tüchtigkeit erzeugen ein seltsames Eigenleben seines unaufhaltsamen Bewegungsdranges. Er ist ganz Energie, die sich in einer bizarren Motorik, wie unabhängig von ihm, austobt. Er singt Pop. Aber er hat eine reiche Ausdrucksskala.


DR. PRUNESQUALLOR       Countertenor

Arzt und Vertrauter der Familie. Effeminiert, von erlesen-bizarrer Eleganz, klug und warmherzig. Sein virtuos schneller, melodischer Gesang wird von plötzlichen Lachkoloraturen unterbrochen, als gerate seine Stimme außer Kontrolle, in eine Obertonlage. Diese Lachschübe haben nichts mit dem Inhalt seiner Sätze zu tun, sie sind einfach Teil seiner Sprache.


FLAY       Schauspieler

Erster Diener Lord Sepulchrave's, ihm in äußerster Treue dienend; ein Teil Gormenghasts, wie ein altes Gemäuer und ebenso schweigsam. Eine Figur, dürr und knotig, wie von Giacometti.


ABIATHA SWELTER       lyrischer Tenor

Der Küchenmeister und Chefkoch, ein weißer, teigiger Fettkloß von grotesken Ausmaßen. Er ist von schleimiger Arroganz, bösartig und scharfzüngig. Aber seine Stimme ist schmelzend weich, von zartem, süßem Wohlklang. Trotz seiner ungeheuren Leibesfülle, kann er sich überraschend schnell und elegant bewegen.


MRS.SLAGG       Schauspielerin

Nanny genannt, die winzige alte Kinderfrau. Sie liebt und umsorgt Fuchsia und Titus hingebungsvoll, klagt ununterbrochen, ist ganz verschreckt und starrsinnig zugleich.


"DAS DING"       Tänzerin , Akrobatin

Stimme : Tonband


Ein zierliches, feenhaftes Geschöpf, ein magisches Wesen.

 


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